Mit dem französischen Startup Mistral AI hofft die EU, wenigstens bei KI-Software nicht vollends von den USA abhängig zu werden.

Seit gut zwei Jahren tobt nun schon der mediale Hype um Künstliche Intelligenz, maßgeblich angefeuert vom Weltmarktführer für PC-Betriebssysteme und Bürosoftware. Mit dem Begriff Künstliche Intelligenz wird mittlerweile alles beschrieben, was auch nur annähernd mit lernfähiger Software zu tun hat.

Im Mittelpunkt steht dabei ChatGPT des von Elon Musk mitbegründeten US-Unternehmens OpenAI, dessen kommerzieller Zweig von CEO Sam Altman in hochprofitable Gründe geführt werden soll. Sam Altman wiederum ist selbst eine sehr umtriebige Person und investiert in andere Unternehmen wie das Startup Helion, das nach eigenen Angaben kurz vor dem Durchbruch bei Kernfusion zur Energiegewinnung steht. Ob dies einigermaßen glaubwürdig ist, wird von Insidern vehement bezweifelt, die Empfehlung eines Sam Altman reicht aber aus, um potenzielle Geldgeber aus der Reserve zu locken.

Chaos Monkeys

Alleine die kurze Geschichte OpenAIs erklärt auf anschauliche Weise, wie das kalifornische Siliziumtal funktioniert. Zwar gibt es dort traditionell eine Konglomeration wesensverwandter Computerfirmen und fraglos hervorragende Programmierer (die zu einem guten Teil aus Indien „importiert“ werden), entscheidender Faktor ist aber die sehr offene Finanzierungsstruktur. Startups können mit vergleichsweise geringem Aufwand Investoren finden oder später ihr Unternehmen an größere Konkurrenten weiterverkaufen. Diese Struktur ist hervorragend beschrieben in Antonio Garcia Martinez´ Buch „Chaos Monkeys“.

Martinez, selbst Startup-Gründer und einige Zeit lang in der Werbeabteilung bei Facebook tätig, bringt die startupfreundliche Atmosphäre Kaliforniens auf den Punkt, indem er die eigentümliche Mischung aus hippieskem Laissez-Faire und knallhartem Business aus seiner Erfahrung beschreibt. Chaos Monkeys, das sind im Entwicklerjargon Programme, die durch erratisches Verhalten die Resilienz von Produktionsumgebungen testen sollen. Ähnliche Funktion hätte, so Martinez, die Startupkultur, indem sie auf spielerische Weise gewachsene Strukturen auf die Probe stellt.

Die EU hinkt hinterher

All diese Betrachtungen dürften als Erklärung ausreichen, warum die EU in Digitalisierungsbelangen hoffnungslos hinter den USA und China hinterherhinkt und bestenfalls auf die blitzschnell auftauchenden Trends reagieren kann. Wobei nicht einmal dies gelingt, wie Datenschutz-Star Max Schrems und seine NGO NOYB immer wieder nachweisen. Immerhin ist auf EU-Ebene das Problem endlich bekannt und wird entsprechend adressiert. Groß daher die Freude, wenn sich ausnahmsweise einmal ein französisches Startup wie Mistral AI anschickt, auf globaler Ebene zu reüssieren.

Wobei auch hier zu relativieren ist, liegt Mistral AI-Gründer Arthur Menschs Geschichte doch bei Googles Forschungsprojekt Deep Mind, während die beiden Mitstreiter Guillaume Lample und Thimothée Lacroix zuvor in der KI-Forschung bei Meta tätig waren. Auch Microsoft hat das Potenzial erkannt und sich sogleich Anteile an Mistral AI gesichert. Im Prinzip scheint sich die Geschichte der EU-Cloud Gaia-X zu wiederholen, die am Ende doch wieder von US-Unternehmen beherrscht wird.

Hoffnungslos, aber nicht ernst

Immerhin hat Arthur Mensch geschafft, in für europäische Verhältnisse unglaublich kurzer Zeit ein kleines, aber motiviertes Team aufzubauen, das für sich beansprucht, mit OpenAI gleichziehen zu können. Und zwar nicht nur in Know-How-Belangen, sondern auch beim Image, das statt dröger Seriosität heitere Unbeschwertheit verheißt und somit bei Tech-Investoren sicherlich gut ankommen wird.

Ein kleines Detail dafür  liefert das Mistral AI-Kernprodukt „Le Chat“, das mit seinem namensgebenden Wortspiel sowohl auf den englischen Begriff Chat als auch auf das französische Wort für Kater hindeutet. Im Dunkelmodus der grafischen Oberfläche nennt sich das Programm „Le Chat Noir“, also schwarzer Kater. Für europäische Maßstäbe ist das fast schon zu verspielt, aber wie es sich bei einem Software-Startup gehört, ist der Markt ohnehin global.

EU-Politiker, allen voran Frankreichs Emmanuel Macron, sind jedenfalls völlig aus dem Häuschen über Mistral AI und haben bereits umfangreiche Förderungen in Aussicht gestellt. Schließlich beherrscht Le Chat von vornherein auch andere Sprachen als Englisch und besitzt für europäische Anwender somit einen strategischen Vorteil. Für Microsoft lohnt sich das Investment in Mistral AI auf jeden Fall, hat man doch somit neben OpenAI ein zweites Pferd im Stall. Ob die EU wenigstens mit Mistral AI zu Anbietern aus den USA und China aufschließen wird können, bleibt wie immer abzuwarten. Noch ist ein Großteil der Mistral AI-Anteile in europäischer Hand.

Foto: Mistral AI

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