Großveranstaltungen wie Festivals, Sportevents oder Messen bringen jedes Jahr hunderttausende Menschen zusammen – und stellen Einsatzorganisationen sowie Behörden vor enorme Herausforderungen. Im Forschungsprojekt MUSIG wurde von 2022 bis 2024 erforscht, wie moderne Methoden der digitalen Datenanalyse und Künstlichen Intelligenz (KI) das Krisen- und Event-Management künftig unterstützen können.
Geleitet wurde das Forschungsprojekt MUSIG von der Paris Lodron Universität Salzburg. Projektpartner waren das Österreichische Rote Kreuz, Johanniter Österreich Ausbildung und Forschung gemeinnützige GmbH, Joanneum Research Forschungsgesellschaft mbH, eurofunk Kappacher GmbH sowie Spatial Services GmbH. Gefördert wurde das Projekt durch die FFG.
Ziel: Bessere Lagebilder für Behörden und Einsatzkräfte
Im Kern untersuchte MUSIG, wie sich unterschiedliche Datenquellen intelligent verbinden lassen, um ein genaueres und dynamischeres Lagebild in Krisensituationen und bei Großveranstaltungen zu erzeugen.
Analysiert wurden unter anderem:
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Mobilfunkdaten
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Kamerabilder
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Beiträge aus sozialen Medien
Mit Hilfe von KI-Methoden wurden diese Informationen kombiniert, um Muster in Bewegungsströmen erkennbar zu machen: Wie viele Personen sind in einem Bereich unterwegs? Wie dicht ist die Menge? In welche Richtung und mit welcher Geschwindigkeit bewegt sie sich?
Zusätzlich wurden Methoden erforscht, um Emotionen und Gesprächsthemen aus Social Media auszuwerten, um ein Gefühl für die Stimmungslage der Besucher zu bekommen – etwa ob Verunsicherung, Unzufriedenheit oder positive Stimmung überwiegen. Einsatzkräfte erhalten damit eine zusätzliche Dimension im Lagebild.
Testszenario Donauinselfest 2023
Ein zentrales Testszenario für das Projekt war das Wiener Donauinselfest 2023. Dort wurden Bilddaten erhoben, um reale Szenarien in die Forschung einfließen zu lassen.
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Im Regiebereich wurde auf Anfrage von Joanneum Research und nach Bewilligung durch die Datenschutzbehörde sowie den Veranstalter eine Kamera installiert.
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Die Aufnahmen wurden ausschließlich für Forschungszwecke im Rahmen des Projekts MUSIG genutzt.
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Das Donauinselfest diente im Projekt als Grundlage für eine szenarienbasierte Evaluierung – es gab keinen Echtzeiteinsatz des Systems, die Analysen wurden rein fiktiv und nachgelagert gemeinsam mit Einsatzkräften durchgespielt.
MUSIG wurde nicht vom Donauinselfest beauftragt, sondern 2023 über eine Rettungsorganisation an die Veranstalter herangetragen. Die Kooperation bezog sich ausschließlich auf den temporären Kameraeinsatz zur Unterstützung des Forschungsprojekts.
Darüber hinaus sind Videoüberwachungsmaßnahmen auf dem Gelände jährlich Teil der Donauinselfest-Hausordnung und vor Ort entsprechend ausgewiesen.
Laut vorliegenden Informationen ist das Forschungsprojekt MUSIG inzwischen abgeschlossen. Die publizierten Forschungsergebnisse sind frei im Internet zugänglich, wurden dem Donauinselfest allerdings nicht übermittelt. Außer der Zusammenarbeit im Jahr 2023 gab es keine weiteren Berührungspunkte.
Datenschutz im Fokus: Was MUSIG nicht macht
Gerade bei der Analyse von Bewegungs- und Bilddaten steht schnell der Vorwurf im Raum, es handle sich um Überwachung. MUSIG setzt jedoch bewusst auf einen anderen Ansatz. Alle technischen Entwicklungen im Projekt wurden begleitet durch ein Ethical Board, soziologisch-ethische Forschung, sowie laufende Koordination mit Bedarfsträgern im Projekt:
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Keine Überwachung von Einzelpersonen
- Keine personenbezogenen Daten
Stattdessen werden die Daten räumlich und zeitlich anonymisiert und aggregiert. Das System liefert also keine Informationen über Individuen, sondern über Muster: Wo wird es dichter? Wo nimmt die Dynamik zu? Wo könnte sich eine kritische Situation entwickeln?
Entscheidungen und Maßnahmen bleiben weiterhin Aufgabe von Einsatzkräften – MUSIG ersetzt keine Leitung, sondern stellt zusätzliche, datenbasierte Entscheidungsgrundlagen bereit.
Relevanz für die Eventbranche
Für Veranstalter von Messen, Konzerten oder Großevents eröffnet ein solcher Ansatz mittelfristig neue Möglichkeiten:
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Frühzeitiges Erkennen von Engpässen in Zu- und Abgängen
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Bessere Besucherlenkung durch Wissen über tatsächliche Ströme
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Unterstützung bei Krisenplanung und Evakuierung
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Monitoring der Stimmungslage zur präventiven Steuerung von Maßnahmen
Gerade vor dem Hintergrund steigender Sicherheitsanforderungen und komplexer werdender Events könnte die Kombination aus KI, Geodaten und Social Media Analysen zu einem neuen Standard im professionellen Crowd- und Krisenmanagement werden.
Zur Person: Prof. Bernd Resch
Eine zentrale wissenschaftliche Rolle im Projekt spielte Prof. Bernd Resch. Während des Projektzeitraums war er an der Paris Lodron Universität Salzburg tätig.
Seit 1. Oktober 2024 ist er Gründungsprofessor an der Interdisciplinary Transformation University (IT:U) in Linz, der neuen Technischen Universität für Digitale Transformation. Sein Forschungsgebiet ist Geosocial Artificial Intelligence, also die Verbindung von räumlichen Daten, sozialen Medien und KI-Methoden zur Analyse von geografischen und sozialen Prozessen.


